Geniale Hexerei
Kindertheater Traumhafter "Zauberer von Oz" im Velodrom
Der Blechmann (Holger Matthias Wilhelm), der Löwe (Doris Dubiel), Dorothy ( Esther Kuhn) und die Vogelscheuche (Oliver Severin) (Foto: Zitzlsperger) |
Von Uta Maydell, MZ
REGENSBURG. Wie ein Zauberer eigentlich aussieht, weiß niemand so genau. Hexen oder Zwerge sind völlig klar! Zauberer würde man sich wohl am ehesten mit spitzen Hut vorstellen und einem Rauschebart. Aber nun hat Frank Lichtenberg das Geheimnis gelüftet: Mächtige Magier sehen überhaupt nicht irgendwie aus, bestehen nur aus einem gewaltigen Mund und einer sonderbaren Picasso-Nase. Und an ihrem Hauptberuf haben sie überhaupt kein vergnügen, fühlen sich von Bittstellern eher belästigt. In Regensburg zumindest ist das klar nach der Premiere vom "Zauberer Oz" im Velodrom.
Des Bühnenbildners Zauberschloss sieht futuristisch aus, grad so, als sei aus einer Riesenfaust ein ein Bündel Micado- Stäbchen gepoltert: Es regiert der Zufall- und Gleiches gilt für das ganze Stück, zumindest für die Bearbeitung von Regisseurin Petra Wüllenberger: Wenn der Sturm Dorothy's Haus nicht genau auf die Böse Hexe des Ostens gewirbelt hätte, hätte sie nicht deren rote Zauberschuhe bekommen. Und dann hätte sie den gelben Weg nicht gefunden...
Wüllenweber hat sich mit Akribie über den Urtext von Lyman Frank Baum aus dem Jahr 1907 hergemacht. Der Klassiker wurde entschlackt, Verzopftes fand neues leben in schnörkelloser Sprache, und sauber herauspräpariert erscheint eine positive Botschaft: In jedem steckt zumindest ein Zipfelchen Gutes, das freilich der Förderung bedarf. Die drei "Patienten" im Stück sind Löwe, Blechmann und Vogelscheuche und sie beklagen den Mangel an Mut, Herz und Hirn. Dabei sind das letztlich eingebildete Krankheiten, die der großmäulige Zauberer mit Tricks heilen kann. So bekommt die dumme Vogelscheuche ein Stück Küchenkrepp, mit roter Schleife zum Diplom gerollt - und schon hat sie den Durchblick.
Wer sich Sorgen macht, die neue "Märchen"- Produktion sei vielleicht staubtrocken, hirnlastig oder moralisierend, der kann beruhigt werden. "Wir geben alles", hat die Regisseurin versprochen und den Mund nicht zu voll genommen. Nichts fehlt an der phantastischen Geschichte von Kansas nach Oz und zurück. Grün ist die Smaragd-Stadt, rot das Mohnfeld, und wenn Sturm ist, qualmt's fürchterlich.
Das herzerfrischende Schauspieler Sextett hat Lichtenberg köstlich ausstaffiert. Esther Kuhn als Dorothy agiert im kleinen Buntkarierten, spielt klar und konsequent ohne peinlich aufgesetzten Kleinmädchen-Charme. Nicht minder gut ihre drei Gefährten Doris Dubiel, Holger Matthias Wilhelm und Oliver Severin - sämtlich Erzkomödianten mit Tiefgang. Dazu kommen Martina Mann und Florian Mümzer, erst bieder als Tante und Onkel, und dann sie als lächelnde gute oder furchtbar pupsende böse Hexe und er als Pförtner-Zauberer. Bravourös sind die Hexenritte- und die Schauspielerin dankt täglich Bühnenmeister Ralf Braun fürs Überleben. Tolle Musik- und bald eine CD- gibt's von Bettina Ostermeier, und Jan Pruditsch hat die ganze Gesellschaft samt Munschkins und Flugaffen so richtig zum Tanzen und Steppen gebracht. Eine blitzgescheite, kunterbunte und spannende Inszenierung.