EIN PAAR TIPPS FÜRS AUFSATZSCHREIBEN

Immer wieder fragen Kinder bei mir an, was sie denn tun könnten, um bessere Aufsätze zu schreiben. Ein Patentrezept habe ich leider nicht für sie. Da müsste ich schon der Doktor Allwissend sein, aber den gibt es bekanntlich nur im Märchen - und dort ist er auch bloß ein armer Schwindler. Trotzdem will ich versuchen, Dir ein paar Ratschläge zu geben, von denen ich meine, dass sie Dir helfen könnten.

Es soll ja Kinder geben, die sich vor dem Aufsatzschreiben regelrecht fürchten. Zu denen gehörst Du hoffentlich nicht. Wer sich fürchtet, ist unsicher. Und wer unsicher ist, macht Murks. Also: Keine Angst vor Ausätzen! - das ist die Hauptsache.

Und wenn Du ein Thema bekommst, das Dich vor den Kopf stößt? Auch dann nicht den Mut verlieren, auch dann keine Aufregung! Oft helfen schon ein paar tiefe Atemzüge, und man kommt wieder zur Ruhe. Bei Ruhe besehen, wirken selbst schwierige Themen meistens bedeutend weniger schwierig als zuvor.

Es gibt ja zum Glück auch leichte und schöne Aufsatzthemen, zu denen einem sofort eine Menge einfällt. Aber Vorsicht! Gerade mit solchen Themen bin ich als Kind ein paar Mal hereingefallen. Ich hatte in meiner Begeisterung einfach drauflosgeschrieben- und das haarscharf am Thema vorbei. Also auch hier: Zunächst mal tief Luft holen, und dann in aller Ruhe überlegen, was mit dem Thema gemeint ist, worauf es bei seiner Behandlung ankommt.

Wenn ich eine Geschichte schreibe, muss ich sie mir in allen Einzelheiten genau vorstellen: Ich kann erst dann anfangen zu schreiben, wenn ich die Personen und alles, was sie tun, ganz deutlich vor mir sehe. Beim Aufsatzschreiben ist das nicht anders. Nur was man genau kennt, was man in allen Einzelheiten vorstellen kann: darüber lässt sich auch schreiben. Nimm Dir ruhig ein bisschen Zeit, um über alles gründlich nachzudenken, dann findest Du auch die richtigen Worte dafür.

Manche Kinder meinen ja, sie müssten sich beim Aufsatzschreiben einer ganz besonders schönen und gewählten Ausdrucksweise bedienen. Was dabei herauskommt, wirkt häufig gestelzt und steif, manchmal sogar ausgesprochen komisch. Diesen Fehler solltest Du nicht begehen. Schreib das, was Dir einfällt, möglichst unbekümmert auf, in Deiner gewohnten Sprache. Je einfacher und natürlicher Du Dich ausdrückst, desto besser.

Lange Sätze haben ihre Tücken. Mancher Schreiber ( auch mancher Schriftsteller) gerät dabei in einen Irrgarten, aus dem er sich nicht mehr herausfindet. Deshalb solltest Du Dir angewöhnen, möglichst keine allzu langen Sätze zu verwenden.

Vielleicht hilft es Dir beim Aufsatzschreiben, wenn Du Dir vorstellst, dass Du Deinen Text jemanden ganz Bestimmten aufschreibst: für jemanden, den Du gut kennst, mit dem Du Dich gut verstehst - zum Beispiel für einen Freund, eine Freundin, für die Mutter, den Vater, die Großeltern. Du hast dann einen 'unsichtbaren Partner', der Dir beim Schreiben über die Schulter schaut. Mit ihm kannst Du Dich beraten, ihn kannst Du überall dort, wo Du im Zweifel bist, um seine Meinung fragen. Vielleicht hilft er Dir, allein schon durch seine geheime Anwesenheit, weil Du dann weißt, dass Du nicht allein bist.

Wie steht es eigentlich mit Deiner Schrift? Ich bekomme häufig handgeschriebene Briefe, auch von Erwachsenen, die sich nur mühsam entziffern lassen. Solche lieblosen hingeschluderten Texte sind eine Zumutung für jeden, der sie lesen soll. Handelt es sich um Aufsätze, dann sind sie vor allem eine Zumutung für Deinen Lehrer, der sie ja korrigieren und beurteilen muss. Und doch solltest Du Dir nicht nur mit Rücksicht auf ihn vornehmen, immer gut und lesbar zu schreiben. Auch Dir selber tust Du einen Dienst damit. Dann hast Du es nämlich viel leichter, wenn Du Deinen Aufsatz am Ende noch einmal durchliest, um letzte Verbesserungen daran vorzunehmen. Mancher dumme Rechtschreibfehler, den Du sonst rettungslos übersehen würdest, lässt sich dann korrigieren, manches vergessene Satzzeichen nachtragen, manches in der Eile ausgelassene Wort noch einfügen.

Auch das Aufsatzschreiben lässt sich natürlich üben: An verregneten Wochenenden beispielsweise, an Schlechtwettertagen in den Ferien. Du kannst Dir Geschichten ausdenken; Du kannst schriftlich über ein besonders lustiges Erlebnis berichten; Du kannst Dir auch vorstellen, dass Du für eine Zeitung schreibst. Sicherlich findet sich dann jemand in der Familie oder in Deiner Schule, der bereit ist, Deine Texte zu lesen und mit Dir durchzusprechen.

Außerdem gibt es ein weiteres, ganz hervorragendes Mittel für alle, die lernen möchten, wie man gute Aufsätze schreibt: viel lesen. Und vor allem: mit Verstand lesen. Bücher sind nicht die schlechtesten Lehrmeister auf diesem Gebiet. Wer viel und aufmerksam liest, der übt sich vielleicht auch im Umgang mit der Sprache. Sein Wortschatz erweitert sich, fast unmerklich lernt er mit jedem neuen Kapitel, das er liest, sich selber ein bisschen besser und gewandter auszudrücken.

Wie gesagt, ich bin nicht der Doktor Allwissend. Du selber musst ausprobieren, ob Dir meine Ratschläge helfen. Ich klopfe auf Holz, sage toi - toi - toi und wünsche Dir recht viel Erfolg mit Deinen zukünftigen Aufsätzen!

Herzliche Grüße vom Rübezahlweg in Haidholzen:

Otfried Preußler

Otfried Preußler

Veröffentlich mit freundlicher Genehmigung von Otfried Preußler.

Stand: 02.01.2011 22:00
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