"Hat die Magdalena etwa traurig geschaut?"

Was ist Gewalt und wie reagiere ich darauf? Die Polizisten Josef Bachmaier und Hans Wenzl in der Grundschule

Von Gertrud Baumgartl, MZ

REGENSBURG. Gestern Vormittag in der Hans-Herrmann-Schule: 22 Mädchen und Buben der Klasse 3a sitzen im Kreis, unter ihnen die beiden Polizisten Josef Bachmaier und Hans Wenzl von der Polizeiinspektion am Protzenweiher. Ihr Thema: Was ist Gewalt, und wie kann man darauf reagieren?

Klasse 3a
Die Klasse 3a der Hans-Herrmann-Schule mit Josef Bachmaier in der Mitte: ein Vormittag voll nützlicher Tipps. (Foto:Baumgartl)

Magdalena steht im Kreis und lässt den Kopf hängen. Fehlt ihr irgendetwas? "Wir haben uns doch ganz nett unterhalten, oder?" sagt der Polizeibeamte. "Oder hat sie etwas traurig geschaut?" - Magdalena blickt weiter stumm auf den Boden, sagt kein Wort. "Oder fehlt Dir etwas?" lächelt Josef Bachmaier und zuckt mit den Schultern.

Es sind Rollenspiele wie dieses, an denen die acht- bis neunjährigen Buben und Mädchen lernen, was Gewalt ist. Dass Magdalana eben im Rollenspiel seelische Gewalt erfahren hat. Als Opfer einer Erpressung, wie sie so im Schulalltag durchaus vorkommen kann: "Bring morgen fünf Euro mit, sonst verhau' ich Dich." Polizeioberkommissar Bachmaier hat selbst die Rolle des Übeltäters übernommen. "Und wenn du etwas erzählst, mach' ich dir dein schönstes Spielzeug kaputt."

"Ist doch klar, dass ein Täter immer so tut, als ob alles in Ordnung ist", klärt er die Kinder hinterher auf. Es ist nicht das einzige, was die Kinder von diesem Vormittag mit nach Hause nehmen. Sie wissen, dass heimliche Drohungen einen guten Grund haben: Der Erpresser will, dass möglichst wenige etwas mitbekommen.

Die Buben und Mädchen lernen in vier Schulstunden - so lange nehmen sich die Polizeibeamten Zeit - auch, dass es nicht nur körperliche Gewalt gibt. "Was Gewalt ist, bestimmt das Opfer", heißt einer der Kernsätze an diesem Vormittag. Und dass es auch Gewalt mit Worten gibt, sexuelle Gewalt, Gewalt gegen Sachen. Und dass es Gewalt gleichkommt, wenn man jemanden nicht in einer Notlage hilft.

Wie also hätte die Klasse 3a Magdalena zu Hilfe kommen können?

"Ihr das Geld leihen", schlägt ein Mädchen vor. "Dann kommt der Erpresser aber wieder", gibt Hans Wenzl zu bedenken, der mit Bachmaier seit eineinhalb Jahren ein eingespieltes Team bildet. Andere Vorschläge sind: Weglaufen ("Das ist immer gut"), die Pausenaufsicht holen, einem Erwachsenen davon erzählen.

Ein anderes Spiel ist "Tornado", und die Kinder lieben es. Bis auf diejenige, die als einzige keinen Stuhl beim schnellen Wechsel abbekommt. Was ein Außenseiter ist, wie schnell man dazu wird, wie scheußlich das anfühlt: Das alles erfährt die Klasse 3a spielerisch. Trotzdem wird es in den Köpfen hängen bleiben.

Ein neues Spiel: Drei Kinder gehen vor die Türe. Sie sind ein "Team" und werden ihrer Klassenkameradin Virginia die Mütze abjagen. "Pass' gut auf sie auf", hat Josef Bachmaier sie ermahnt.

Doch so schnell kann die Neunjährige gar nicht schauen, und das Trio hat ihr die Mütze weggenommen. "Gib sie mir wieder", sagt Virginia. Aber das hilft nicht. Die Mütze fliegt einmal dahin, einmal dorthin, jeder jagt danach, und Virginia kann nur noch ratlos dastehen.

"Da gibt es doch ein kleines Zauberwort, und das heißt bitte", heißt es am Ende des Spiels. Das "Täter"-Trio nickt: Richtig. Hätte nur eines der Kinder 'bitte' gesagt, hätten sie die Mütze zurück gegeben, so war es abgemacht. "Das heißt, man kann auch mit Fragen oder Bitten ein Problem lösen", erklären die Polizisten.

Am Ende stehen die drei großen "L" an der Tafel, also alles das, was ein Täter nicht mag: Lärm, Leute, Licht. "Da ist man schon weniger in Gefahr, dass etwas passiert, wenn viele Leute drumherum sind."

Die Kinder nicken. Dass sich ein Täter immer einen Kleineren uns Schwächeren aussucht, aber nie einen kräftigeren Gegner werden sie sich außerdem merken. Für einen Schulvormittag war das schon eine Menge an nützlichen Tipps.

Hintergrund: Neuland für die Polizei

ge. Seit gut eineinhalb Jahren arbeiten Polizeioberkommissar Josef Bachmaier und sein Kollege Polizeihauptmeister Hans Wenzl im Team und besuchen Schulklassen zur Thematik "Gewaltprävention".

"Verkehrserziehung" gehört zu unseren üblicheren Aufgaben. Mit diesem eher psychologischen Thema und auch in den Rollenspielen betreten wir völliges Neuland", erklärt Pressesprecher Michael Rebele.

Vieles haben sich die Polizeibeamten, die trotz ihrer Arbeit an Schulen noch regulär Dienst in der Inspektion am Protzenweiher haben, aneignen müssen.

Zum Beispiel die geeigneten Rollenspiele. "Da gab's ein Programm beim Kommissariat in München zum Thema "Verhaltensorientierte Prävention", erzählt Josef Bachmaier.

Mit dem Lehrstuhl für Psychologie an der Uni Regensburg stehen beide ebenfalls im ständigen Kontakt. "Die beste Kritik ist, wenn ich gefragt werde, ob ich nächstes Jahr wieder kommen kann", freut sich Bachmaier über die positive Resonanz. Denn schon sind er und sein Kollege Hans Wenzl überörtlich auf der Achse, von Sulzbach-Rosenberg bis Neumarkt oder Burglengenfeld.

Seit den ersten Anfängen 2005/06 bekommen die beiden nämlich "unwahrscheinlich viele Anforderungen. Das ist zum Selbstläufer geworden." Fast alle Schulen zeigen großes Interesse.

Was außerdem zum großen Erfolg beiträgt: Vor ihrer Stundensequenz - hauptsächlich in den Jahrgangsstufen 3 und 7 - gibt es eine intensive Vorbesprechung mit dem Klassenlehrer, um eine Vorstellung von der Klasse zu bekommen. "Wir wissen dann auch, ob es bestimmte Probleme gibt, die wir ansprechen können oder ob wir vielleicht auf Außenseiter besonders Rücksicht nehmen müssen".

Quelle: MZ, 13.12.2006
Stand: 01.01.2011 22:00
HHGS
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