"Viele Menschen wissen fast gar nichts über Afrika"

Der Ghanaer Kobna Anan sieht sich als Friedensbotschafter und Brückenbauer zwischen seinen Kontinent und Europa

Kobna Anan
Exotische Klänge in der Hans-Herrmann-Schule: Kobna Anan und seine Trommel (Foto: Kobner)

REINHAUSEN (mtf) Ungewöhnlichen Besuch aus Afrika hat im Augenblick die Hans-Herrmann-Grund- und Hauptschule: Der Ghanaer Kobna Anan reist durch Deutschland und bringt den Zuhörern "sein ganz persönliches Afrika" nahe. Denn Afrika bedeutet für ihn nicht nur Hunger, Krankheit und Armut, sondern vor allem kulturelle Vielfalt, Musik, Tanz Fröhlichkeit.

Mitklatschen steht anfangs auf dem Programm: Mit der "Donno", einer traditionellen afrikanischen Trommel, weckt der Afrikaner schnell die Aufmerksamkeit der Schüler der Hans-Herrmann-Hauptschule. Danach begrüßt er "seine kleinen Freunde" auf Fanti, seiner Stammessprache: " Agoo....?" - Darf ich? Worauf die Schüler mit "Amii...!" - Sie dürfen, antworten. Er erklärt seinen Zuhörern, dass Afrika mit seinen rund 700 Millionen Einwohnern kein einheitliches Land ist. Durch seine Größe beheimatet es eine unglaubliche Vielfalt an Tieren, Pflanzen, Landschaften und auch Kulturen. Ghana selbst ist nur so groß wie die alten Bundesländer zusammen, erzählt er. Dennoch gibt es allein hier 22 verschiedene Hauptsprachen. Er selbst spricht aber mehrere afrikanische Dialekte.

Früher arbeitete Kobna Anan, dessen Vorname so viel wie "Junge, der am Dienstag geboren ist" bedeutet, als Marketingleiter bei einer Ölfirma in Ghana. Dann erfüllte er sich einen Traum und studierte Theaterwissenschaft und Schauspiel in London. Als er feststellte, dass bei den meisten Europäern eine stereotype Vorstellung von Afrika herrscht, fühlte er sich berufen, dies zu ändern. "Man spricht im Zusammenhang mit Afrika immer nur von Hunger, Armut, Krankheiten und Krieg" beklagt er sich. Er selbst blickt auf eine glückliche Kindheit in Ghana zurück. "Vielleicht sind die Menschen in Afrika oft ärmer. Aber sie sind nicht unglücklicher als woanders." Die Musik und der ausgelassene Tanz als Zeichen von Lebensfreude sind sehr wichtig. Nur der Krieg mache die Menschen wirklich unglücklich. Deshalb sieht er sich auch als Botschafter des Friedens: "Ich reiche den Menschen die Hand und biete ihnen meine Freundschaft."

So tourt er als Botschafter einer anderen Kultur schon seit 1873 durch Europa. Die deutsche Sprache hat er sich selbst beigebracht, indem er mit dem Zug drei Monate lang quer durch Deutschland gefahren ist und mit Reisenden gesprochen hat.

Die Kinder sind begeistert über den nicht alltäglichen Unterricht, aber für mansche sind die ungewohnten Tanz- und Singspiele doch noch etwas gewöhnungsbedürftig. Als nächstes steht ein afrikanisches Märchen von der Spinne, die versucht alle Weisheit zu sammeln, auf dem Stundenplan. In den meisten Geschichten spielen Tiere die Hauptrolle. Dabei ist natürlich der Löwe der König. Jedes Märchen beinhaltet eine versteckte Lebensweisheit. Auf diese Weise wird den Kindern in den Dörfern richtiges Verhalten und Moralvorstellungen vermittelt.

Kobna Anan erzählt von der Geschichte seines Landes. Als 1471 Portugiesen als erste Europäer die Westküste Afrikas erreichten, erhielten sie von den Bewohnern viel Gold. Deshalb wurde die Küste Ghanas auch lange Zeit die Goldküste genannt. Damit begann für Ghana und viele andere afrikanische Länder eine "schlimme Zeit". 400 Jahre Sklaverei und Unterdrückung habe sein Land erdulden müssen. Unter den Folgen der Kolonialzeit und der Ausbeutung leide es noch heute.

"Wenn nur einige der Schüler eine neue Sicht auf Afrika gewonnen haben, hat sich mein Einsatz schon gelohnt", meint er. Bei Sebastian Aufleger aus der Klasse 10b trifft dies auf alle Fälle zu: "Ich fand die Geschichte Ghanas sehr interessant, vor allem wie er sie uns erzählt hat."

Afrikanischer Abend

mtf. Nachdem die Hauptschüler der Hans-Herrmann-Schule, das Programm des Ghanaers Kobna Anan bereits bewundern konnten, profitiert auch die gleichnamige Grundschule vom Besuch des Afrikaners. Heute Vormittag findet eine Vorführung für alle Erst- bis Viertklässler statt. Natürlich ist der Inhalt der Aufführung auf die diversen Altersstufen abgestimmt. Am Abend laden dann die Grundschule, der Elternbeirat und das Lehrerkollegium alle Eltern zu einem Festabend in die Schule ein: "Zu Gast in Afrika". Ab 19 Uhr gibt es nicht nur spannende Geschichten und Darbietungen, sondern auch ein afrikanisches Festmahl, das "Joloff".

Quelle: MZ, 11.11.2003
Stand: 01.01.2011 22:00
HHGS
Valid HTML 4.01!   Valid CSS!