Für Mauersegler ist im Posthof kein Platz mehr
Tragisch: Fehler in der Verwaltung verhinderte Auflagen / Schule lädt Investor zum Schnellkurs Vogelschutz
Von Thomas Rieke, MZ
"Der erste Mai ist da, kalendermäßig. Ein klirrendes Schreien, flatterndes Gewimmel. Wie jedes Jahr zeigen zuverlässig, die Mauersegler sich am Himmel. Um Dächer und Türme jagen sich die Schwalben, pfeilschnell in kühnen Wendungen und Bogen, vom Flug berauscht, verkündend allenthalben, dass wiederum der Maien eingezogen..." (Trepte Isterbogen)
Egbert Schelbert in luftiger Höhe, auf dem Baugerüst des Posthofs: Hier könnte man Schlupflöcher für die Mauersegler schaffen! (Foto von Uwe Moosburger) |
Ein Alptraum: Zurück aus dem Urlaub, ist die eigene Wohnung verbarrikadiert. Der Schlüssel passt nicht mehr und die neuen Bewohner denken gar nicht daran, noch jemanden aufzunehmen.
So wird es - wenn nicht noch ein kleines Wunder geschieht- auch den 80 Mauerseglern ergehen, die seit vielen Jahren im Dach des Posthofes am Eck Frieden-/Galgenbergstraße ihr Zuhause hatten. Wie ferngesteuert fliegen sie jeden mai, aus Zentralafrika kommend, ihre Brutstätten an, um sich für drei Monate einzunisten und ihre Jungen zur Welt zu bringen. Heure wird die stattliche Kolonie nicht mehr wissen, wohin. Mit einem Lochband hat Investor Thomas Gmach den Hinterlüftungsschlitz am Dach zunageln lassen.- ein bei Sanierungen üblicher Vorgang.
Auf 12000 Quadratmeter Nutzfläche sollen sich in dem 40-Millionen-Mark-Projekt "Posthof" Software-Entwickler, Call- Center, Marketing-Experten, Medienleute und Firmen aus verwandten Branchen einrichten. Zusätzlich könnten diverse Gastro- Betriebe das Haus mit Leben erfüllen, so die Vorstellung von Gmach. "Das Interesse ist überraschend groß".
Und für ein paar Dutzend Vögel soll kein Platz mehr sein? Die Vorgeschichte ist an Tragik kaum mehr zu überbieten. Im Umweltamt der Stadt wusste man von den Mauerseglern im Posthof, und Gerda Neuger, Sachgebietsleiterin Naturschutz, ist sich sicher, "dass wir etwas zum Schutz des Standortes hätten tun können". Als Fachreferentin hätte sie eine Stellungsnahme abgeben und empfehlen können, den Schutz der Brutplätze als verbindliche Auflage in die Baugenehmigung aufzunehmen. Wenn das Bauordnungsamt dem zugestimmt hätte, wäre der Posthof für die Mauersegler gerettet gewesen.
"Wenn", "hätte", "wäre". Aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen hat Neuger den Akt Posthof nie auf den Tisch bekommen. Die Baugenehmigung wurde ohne naturschutzrechtliche Auflagen erteilt. Bauherr Gmach ist vollkommen aus dem Schneider. "Uns ist da intern ein Fehler unterlaufen", sagt Neuger voller Bedauern.
Doch noch ist nicht aller Tage Abend. Zusammen mit Egbert Schelbert, dem großen Freund aller seltenen Vogelarten, kämpft die Dame vom Umweltamt seit November mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln weiter für die Mauersegler. Anfang Dezember wandte sie sich im Namen der Behörde an den Bauträger, um ihn schriftlich auf die Schutzwürdigkeit der Luftakrobaten hinzuweisen. Gmach solle sich doch mit Schelbert in Verbindung setzen, um das Problem vor Ort zu besprechen und eventuelle Maßnahmen zu diskutieren. Denn, davon sind Schelbert und Neuger überzeugt: Auch heute noch wäre es mit einem minimalen Aufwand möglich, den Lebensraum der Tiere zu bewahren. Im Abstand von wenigen Metern in die Lochgitter nur Öffnungen schneiden, die dem Mauersegler Unterschlupf ermöglichten. Denkbar wäre auch die Anbringung spezieller Nistkästen. Kostenpunkt für 40 Vogelpaare:tund 5000DM. Was wäre das schon für einen Unternehmer, der es gewohnt ist, mit Millionen zu jonglieren?, meinen die Vogelschützer um Egbert Schelbert. "Gmach könnte sogar etwas für sein Image tun". Als erfolgreicher Geschäftsmann ein Zeichen setzen für den Artenschutz - wäre das nichts?
Doch weder Schelbert, noch die Fachreferentin vom Umweltamt haben bisher etwas erreicht. Kurz vor Weihnachten traf sich der 62-jährige Kumpfmühler, mit Bauleiter Architekt Georg Reitz, um ihm die Augen zu öffnen.
Die Brutplätze sind vernichtet, wenn nicht doch noch Einflugschneisen geschaffen werden. Reitz sagte zu, mit dem Bauherrn zu sprechen. Auf Nachfrage Mitte Januar wurde Schelbert jedoch nur lapidar mitgeteilt, der Bauherr könne keine Entscheidung treffen; Schelbert solle sich doch an den Projektleiter in Dresden wenden. Spätestens jetzt fühlte sich jetzt der Vogelschützer verarscht. Zweimal hatte er noch Vorstöße des Umweltamtes abgewartet, dann war seine Geduld erschöpft. Schelbert wandte sich an die MZ.
Doch die Redaktion musste vergangene Woche erfahren, wie schwierig es ist, mit jemanden Kontakt aufzunehmen, der Wichtigeres zu tun hat. Zehn Anrufe (ungelogen) und Bitten sowie das Hinterlegen unserer Telefonnummer blieben ohne Erfolg.
Dass es auch anders geht, belegen Schelbert (übrigens zweifacher Träger des Städt. Umweltpreises) und Gerda Neuger an verschiedenen Beispielen, wie etwas dem Hemma- Heim in Kumpfmühl oder der Hans-Herrmann-Schule in Reinhausen. In beiden Fällen gelang es, den Bauherrn und Architekten davon zu überzeugen, mit welch geringen Mitteln ein Beitrag zum Artenschutz geleistet werden kann. Die Vögel sind sehr standorttreu und lassen sich laut Neuger auch durch starke Veränderungen ihres Umfeldes nicht so schnell vertreiben - Hauptsache, die Brutplätze sind vorhanden.
Die Herrmann-Schule heißt im Volksmund Mauerseglerschule und hat für ihr Engagement ebenfalls den Umweltpreis bekommen. Dadurch angespornt wird das Vogelprojekt jetzt weiter ausgeweitet. Arlet Wills, kommissarische Leiterin der Grundschule, lädt Posthof-Investor Gmach zum "Nachhilfeunterricht" in Sachen Naturschutz ein. Mit ein bisschen gutem Willen, so meint auch sie, könnte Thomas Gmach zeigen, dass er ein "Herz für Tiere" hat.